Die „Biergarten-Revolution“ trieb 1995 Tausende auf die Straßen. Was hat sie bewirkt? Und was verändert Corona? Einiges, sagt Schriftsteller Alfons Schweiggert.

Ein Auszug aus einem Artikel der Augsburger Allgemeine von Max Kramer

Herr Schweiggert, vor 25 Jahren, am 12. Mai 1995, trieb die „Biergarten-Revolution“ 25.000 Menschen auf Münchens Straßen. Auslöser war das Urteil, nach dem die Sperrstunde im Biergarten einer Waldwirtschaft auf 21.30 Uhr vorgezogen werden sollte. Warum verteidigten die Bayern damals die Biergarten-Kultur so vehement?

Alfons Schweiggert: Der Biergarten ist das zweite Wohnzimmer der Bayern. Hier kommen die Menschen über alle Schichten hinweg miteinander ins Gespräch. Diese Lebensqualität, diese Kultur lief in den 1990er-Jahren Gefahr, ausgerottet zu werden.

Eine Kultur wird ausgerottet, wenn in einem einzelnen Biergarten eineinhalb Stunden früher Schluss ist?

SchweiggertEs ging damals um Grundsätzliches, weil zu erwarten war, dass anschließend auch viele andere Anwohner wegen der Lärmbelästigung klagen würden. Das hätte das Aus für dutzende Biergärten in Bayern bedeutet. Die Leute haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn Verordnungen Stück für Stück verschärft werden – umso mehr, wenn es um den Sehnsuchtsort Biergarten geht. Der Biergarten ist ein Symbol für Freiheit, das die Bayern verteidigen. Notfalls mit einer Revolution.

Biergarten-Revolution 1995: „Es brodelte in der Bevölkerung“

Ist der Begriff Revolution in diesem Zusammenhang nicht etwas hoch gegriffen?

SchweiggertDer Begriff ist von den Organisatoren mit Bedacht gewählt worden. ,Protestaktion’ klingt so nach: ,Mei, da protestiert halt jetzt wieder irgendjemand gegen irgendwas.’ In Bayern muss es schon eine Revolution sein. Der Begriff sollte zeigen, dass ein langer Kampf bevorsteht, dass die breite Bevölkerung nicht aufhört, für ihre Biergärten zu kämpfen. Insofern halte ich den Begriff für angemessen.

Politiker wie der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber erkannten die Stimmung und setzten sich schnell an die Spitze der Bewegung.

SchweiggertEin schlauer Schachzug. Stoiber erkannte, dass es in der Bevölkerung brodelte, und machte sich das zunutze. Die Bayerische Biergartenverordnung, die die Staatskanzlei kurz darauf verfasste, sah eine Sperrstunde um 23 Uhr in allen traditionellen Biergärten vor. Dagegen wurde zwar wieder geklagt, aber Stoibers Juristen besserten so lange nach, bis die Verordnung 1999 wasserdicht war. Ein riesiger Erfolg für die Biergarten-Revolution.

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